Stillzeichen verstehen: So kommuniziert dein Baby
Zitat des Monats
„Wenn wir ein Kind vor uns haben, haben wir es immer mit zwei Kindern zu tun. Dem Kind, das vor uns steht, und dem Kind, das man selbst einmal war.“
von Janusz Korczak
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Stillzeichen verstehen: So kommuniziert dein Baby
Wie dein Baby kommuniziert, bevor es weint
Es ist später Abend. Du sitzt auf dem Sofa, dein Baby liegt auf deiner Brust, und ihr beide seid eigentlich bereit fürs Bett. Und dann passiert es: Dieses kleine Mündchen macht Bewegungen, als würde es ein unsichtbares Eis schlecken. Die Zunge kommt heraus, der Kopf macht dieses Such-Wackel-Ding – und du denkst: Aha. Da möchte jemand trinken. Genau das sind Stillzeichen. Klingt simpel – und gleichzeitig sind sie der Schlüssel zu einem entspannteren Stillstart, mehr Vertrauen in den eigenen Körper und in die Fähigkeiten deines Babys.
In diesem Artikel schauen wir uns gemeinsam an, welche Stillzeichen es gibt, wie sie aussehen und warum sie so verdammt wichtig sind. Evidenzbasiert. Verständlich. Alltagsnah.
Warum Stillzeichen überhaupt existieren
Neugeborene sind kleine Kommunikationstalente. Sie können zwar nicht sprechen, aber sie haben ein erstaunliches Repertoire an Signalen, mit denen sie ausdrücken: Ich bin bereit. Ich suche. Ich brauche dich. Diese Signale tauchen lange auf, bevor ein Baby weint. Weinen ist tatsächlich ein spätes Hungerzeichen – sozusagen das „Okay, wir haben hier jetzt wirklich ein Problem“-Level (Nationale Stillkommission, 2016; WHO, 2023). Wenn Eltern die früheren Zeichen wahrnehmen, läuft Stillen meist deutlich entspannter. Das Baby ist wacher und kooperativer, und der Milchspendereflex kann sich ohne Stress entfalten.
Die drei Stufen der Stillzeichen
Fachlich unterscheiden wir frühe, aktive und späte Stillzeichen. Und genau diese drei Stufen schauen wir uns jetzt an – alltagsnah und mit Beispielen, die du sofort wiedererkennst.
1. Frühe Stillzeichen: die „Hallo? Ich bin wach…“-Signale
Das sind die allerersten Hinweise, oft noch ganz subtil. Dein Baby öffnet die Augen, blinzelt, bewegt sich leicht, dreht den Kopf ein wenig oder beginnt, den Mund zu öffnen, zu lecken oder zu schmatzen. Manche Babys wirken in diesem Moment, als würden sie vorsichtig testen, ob jemand da ist, der sie versteht. Genau diese frühen Zeichen eignen sich ideal, um dein Baby anzulegen – ruhig, entspannt und ohne Eile.
2. Aktive Stillzeichen: die „Ich suche jetzt wirklich“-Phase
Wenn dein Baby aktiver wird, ist es meist unübersehbar. Der Kopf dreht sich nach beiden Seiten, die Zunge fährt nach vorne, die Hände wandern Richtung Mund und es entstehen diese kleinen „Pick“- oder „Schnappbewegungen“. Der Suchreflex zeigt sich deutlich: Dein Baby stupst oder drückt sich Richtung Brust. Studien zeigen, dass diese Phase tief neurobiologisch verankert ist. Babys sind „gebaut“ dafür, die Brust selbst zu finden (Widström et al., 2011). Wenn man ihnen Zeit und Raum gibt, klappt das oft erstaunlich intuitiv.
3. Späte Stillzeichen: „Okay. Jetzt wirklich!“
In dieser Stufe ist dein Baby meist schon frustriert. Es weint, wirkt angespannt, bekommt vielleicht einen hochroten Kopf oder zeigt Abwehrbewegungen. Weinen ist dabei kein Zeichen dafür, dass du etwas falsch gemacht hast – es bedeutet einfach, dass die früheren Signale übersehen wurden oder es aus irgendeinem Grund ein bisschen gedauert hat (UNICEF UK, 2019). Wenn ein Baby schon weint, hilft es oft, es zuerst zu beruhigen, bevor man wieder anlegt: Körperkontakt, Wiegen, Atmen – und dann Stillen.
Wie Stillzeichen das Stillen erleichtern
Stillzeichen wahrzunehmen, verändert vieles. Ein Baby, das ruhig ist, öffnet den Mund weiter, sucht aktiver und dockt tiefer an – und genau das reduziert das Risiko für wunde Brustwarzen (WHO, 2023). Außerdem kann sich der Milchspendereflex leichter lösen, weil Stress Oxytocin hemmt und Oxytocin wiederum zentral für diesen Reflex ist. Und nicht zuletzt stärkt das Erkennen der Zeichen das eigene Vertrauen. Je häufiger du die Signale siehst, desto klarer wird: Ich kann mein Kind wirklich lesen. Dieses Vertrauen ist unglaublich wertvoll.
Wie du Stillzeichen im Alltag nutzen kannst
Viele Eltern profitieren sehr davon, wenn sie im Alltag weniger auf die Uhr und mehr auf ihr Baby schauen. Hunger richtet sich nicht nach Zeitplänen, sondern nach Bedürfnissen. Nimm frühe Zeichen ernst: Ein Baby, das gerade wach wird, lässt sich oft besonders gut anlegen. Hilfreich ist auch eine Position, die deinem Baby ermöglicht, die Brust selbst zu finden – Bauch an Bauch, leicht zurückgelehnt, in der sogenannten biologischen Haltung. Und am wichtigsten: Verlass dich auf dein Gefühl. Stillzeichen sind kein Fragebogen. Du musst nichts perfekt erkennen. Du darfst lernen, und mit der Zeit erkennst du automatisch Muster.
Sind Stillzeichen bei jedem Baby gleich?
Im Grunde ja – denn diese Reflexe sind evolutionsbiologisch verankert. Gleichzeitig zeigen sich die Zeichen bei Babys unterschiedlich ausgeprägt. Manche sind sehr aktiv, manche subtil, manche leicht frustriert, manche extrem ruhig. Alles davon ist normal und bedeutet weder etwas über deine Stillfähigkeit noch über die Bindung zwischen euch.
Das Wichtigste zum Schluss
Stillzeichen zu erkennen bedeutet nicht, alles perfekt machen zu müssen. Es bedeutet, dein Baby zu beobachten, die kleinen Hinweise wahrzunehmen und irgendwann ganz selbstverständlich zu spüren: Ach so. Das meinst du. Genau diese Momente schaffen Verbundenheit. Jedes gelungene Anlegen ist ein kleines gemeinsames Erfolgserlebnis. Und je öfter das passiert, desto mehr wächst dieses stille, kraftvolle Vertrauen zwischen dir und deinem Kind.
Stillen ist eine gemeinsame Sprache.
Stillzeichen sind die ersten Wörter.
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