Bindungsorientiert – was es wirklich bedeutet
Zitat des Monats
„Wenn wir ein Kind vor uns haben, haben wir es immer mit zwei Kindern zu tun. Dem Kind, das vor uns steht, und dem Kind, das man selbst einmal war.“
von Janusz Korczak
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Bindungsorientiert – was es wirklich bedeutet
Bindungsorientiert zu leben wird oft missverstanden. Manche verbinden damit sofort Stillen bis zum Kindergarten, Familienbett bis zur Rente oder das Gefühl, dass man niemals genervt oder erschöpft sein darf. Andere denken an einen Erziehungsstil, der aus Regeln besteht, die man erfüllen muss, damit das eigene Kind „richtig“ aufwächst. Doch all das hat mit echter Bindungsorientierung wenig zu tun.
Bindungsorientiert bedeutet nicht, dass du perfekt sein musst. Es bedeutet auch nicht, dass du alles stehen und liegen lässt, sobald dein Baby einen Laut macht oder dass du dich selbst komplett aufgibst. Bindungsorientiert bedeutet vor allem eines: Eine sichere, verlässliche Beziehung aufzubauen, in der dein Kind spürt: „Ich bin wichtig. Ich werde gesehen. Ich bin sicher.“
Und genau das ist ein biologisches Grundbedürfnis, kein Lifestyle und kein Idealbild aus sozialen Medien.
Bindungsorientiert heißt: Du reagierst – nicht, dass du alles erfüllst
Babys und Kleinkinder haben viele Bedürfnisse. Manche davon sind körperlich, andere emotional, wieder andere kommunikativ. Bindungsorientiert zu handeln meint nicht, jedes Bedürfnis sofort zu erfüllen, sondern innerhalb deiner Möglichkeiten zu reagieren.
Babys lernen über Wiederholung. Sie lernen aus der Art, wie du schaust, wie du hältst, wie du antwortest. Sie brauchen kein 24-Stunden-Programm voller Nähe und Aufmerksamkeit. Sie brauchen verlässliche Muster, Wiedererkennung und das Gefühl: „Meine Bezugsperson bemüht sich, mich zu verstehen.“
Perfektion ist dabei irrelevant. Verantwortung und Verbundenheit sind es nicht.
Bindungsorientiert bedeutet nicht Grenzenlosigkeit
Ein weit verbreiteter Irrglaube ist, dass Bindungsorientierung automatisch bedeutet, dass Kinder „dürfen, was sie wollen“ oder dass Eltern sich selbst komplett zurückstellen müssen. Das Gegenteil ist der Fall.
Bindungsorientierte Elternschaft lebt davon, dass Bindung in beide Richtungen funktioniert. Eine gesunde Eltern-Kind-Bindung schließt ein, dass du auch deine eigenen Grenzen wahrnimmst und kommunizierst. Ein „Ich brauche einen Moment“ ist genauso bindungsorientiert wie ein „Komm her, ich tröste dich“.
Kinder lernen durch dein Vorbild, wie Selbstfürsorge, Regulation und Nähe aussehen können – und dass beides nebeneinander bestehen darf.
Was bindungsorientiert auszeichnet: Die Haltung dahinter
Bindungsorientiert zu begleiten bedeutet, Entscheidungen rund um Stillen, Schlaf und Beikost nicht nach Regeln oder gesellschaftlichen Erwartungen zu treffen, sondern nach den echten Bedürfnissen deines Kindes und deiner Familie.
Dazu gehören:
• Nähe als regulierendes Grundbedürfnis
• Feinfühligkeit im Umgang mit Signalen
• Reparatur, wenn etwas aus dem Ruder läuft
• Verlässlichkeit, die Sicherheit schafft
• Resonanz, also echtes Wahrnehmen dessen, was dein Kind zeigt
Diese Haltung ist keine Methode. Sie ist auch nicht in fünf Schritten zu erlernen. Sie ist die Art, wie du im Alltag mit deinem Kind in Beziehung trittst.
Bindungsorientiertes Schlafen
Gerade das Thema Babyschlaf ist voller Mythen und Verunsicherungen. Bindungsorientiert zu begleiten bedeutet hier:
• Schlaf ist ein Reifungsprozess, kein Verhalten, das man trainieren muss
• Nähe ist ein legitimes und biologisch sinnvolles Schlafbedürfnis
• nächtliches Aufwachen ist normal
• Co-Regulation ist kein „Verwöhnen“, sondern Teil der kindlichen Entwicklung
Schlaftrainings, bei denen Babys schreien gelassen werden, passen nicht in ein bindungsorientiertes Verständnis. Sie ignorieren die neurologischen Grundlagen kindlicher Stressverarbeitung und die Bedeutung von emotionaler Sicherheit.
Bindungsorientiertes Schlafen bedeutet dagegen, den Schlaf so zu gestalten, dass dein Kind sich sicher fühlt und du gleichzeitig Ressourcen behältst. Es geht nicht darum, jedes nächtliche Bedürfnis sofort zu erfüllen, sondern darum, dass dein Baby nicht alleine mit Stress umgehen muss.
Wenn du mehr darüber erfahren möchtest, wie Babys wirklich schlafen und warum Nähe Teil ihrer Physiologie ist, schau doch mal im Artikel „Babyschlaf verstehen“ vorbei!
Bindungsorientiertes Stillen
Auch beim Stillen bedeutet Bindungsorientierung nicht, dass Stillen die einzige Option ist oder dass es immer problemlos klappt. Bindungsorientiert zu stillen heißt:
• die Signale des Babys zu verstehen
• Stillen als Beziehung statt als Leistung zu sehen
• Herausforderungen ernst zu nehmen
• Druck und Mythen außen vor zu lassen
Es bedeutet auch, Unterstützung anzunehmen, wenn es schwierig wird. Stillen ist keine Prüfung, die du bestehen musst. Es ist ein gemeinsamer Lernprozess.
Bindungsorientierte Beikost
Auch der Übergang zur Beikost kann bindungsorientiert gestaltet werden. Dabei geht es weniger um die Frage, ob du Brei oder Baby Lead Weaning anbietest, sondern darum, wie dein Kind sich in diesem Prozess begleitet fühlt.
Bindungsorientiertes Beikost-Begleiten bedeutet:
• deinem Kind Zeit zu lassen
• Reifezeichen zu beachten
• Druck rauszunehmen
• Freude und Neugier zu stärken
• Unsicherheiten zu erkennen statt zu übergehen
Bindungsorientiert ist nicht die Methode. Bindungsorientiert ist die Beziehung, die Methoden erst sinnvoll macht.
Bindung ist kein Ergebnis, sondern ein Prozess
Bindung entsteht nicht an einem Tag, durch eine Methode oder durch eine Entscheidung. Sie entsteht in Tausenden von Mikro-Momenten. In Blicken, Berührungen, Reaktionen, im Trost, im Wiederfinden und in der Art, wie du präsent bist, auch wenn der Tag chaotisch war.
Bindungsorientiert leben heißt, diesen Prozess bewusst zu begleiten, ohne sich an Ideale zu klammern. Es heißt, echten Kontakt über Perfektion zu stellen.
Und das Schönste daran:
Bindung braucht nicht viel.
Sie braucht dich. Genau so, wie du bist.
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